ATRA erarbeitet ein konkretes Projekt zugunsten der Tiere und der Biomedizin
Im Jahre 1885 wurde erstmals entdeckt, dass Zellen ausserhalb des Körpers in Zellkulturen am Leben erhalten werden können. Seitdem sind die Labortechniken enorm fortgeschritten: heute ist es möglich menschliche und tierische Zellen, Gewebe und Organe in vitro (ausserhalb des Körpers) zu vermehren, zu entwickeln und am Leben zu erhalten. Jedermann spricht heute über Leber, Herz, Gehirn, usw., Organe des menschlichen Körpers. Um es etwas einfacher auszudrücken, könnte man sagen, dass Organe aus Gewebe bestehen, und Gewebe aus Zellen.
Dieses ganze menschliche Material ist eine der bedeutendsten Ressourcen der biomedizinischen Forschung. Vielleicht ist sie auch die wichtigste, „vergeudete“ Hilfsquelle der biomedizinischen Forschung. Durch die Einrichtung einer oder mehrerer Banken mit menschlichem Gewebe soll die biomedizinische Forschung in der Schweiz stark ausgebaut werden.
Heute kann man an menschlichem Gewebe Krankheiten erforschen, die Funktionen des menschlichen Körpers kennen lernen und neue Medikamente entwicklen und testen. Viele biomedizinische Forschungen werden an Gewebe durchgeführt, nur werden dazu – was ziemlich unlogisch ist – hauptsächlich tierische Zellen, Gewebe und Organe verwendet. Oftmals diskutieren Wissenschaftler über die Schwierigkeit, beim Menschen die gleichen Resultate festzustellen, wie bei Tierversuchen. In diesem Fall müsste auch der Wissenschaftler, der sich für die Vivisektion ausspricht zugeben, dass es besser ist gleich menschliches Gewebe für die Erforschung des menschlichen Körpers zu benutzen. Die Forschung an menschlichem Gewebe liefert nämlich Daten, die für den Menschen gelten. Warum also benutzt man nicht permanent menschliches Gewebe anstatt tierisches? Das Hauptproblem ist die Schwierigkeit, jederzeit genügend menschliches Gewebe zu beschaffen. Wissenschaftler planen nur ungern mittel- und langfristige Forschungsprojekte, ohne zu wissen, ob das benötigte Gewebe zu dem Zeitpunkt auch wirklich zur Verfügung steht. Dieses Problem kommt nicht auf, wenn man Tiere einfach in Laboratorien hält und bei Bedarf tötet.
Das Problem der menschlichen Gewebe- und Organverfügbarkeit existiert tatsächlich. Es gibt nicht genügend Gewebe, um den Bedarf der Industrien und der öffentlichen Forschungszentren zu decken. Menschliches Gewebe kann wie folgt gewonnen werden:
• Gewebereste aus chirurgischen Eingriffen (wird derzeitig weggeworfen, und wird somit zu medizinischem Abfall)
• Gewebe von Spendern (falls für Transplantationen ungeeignet)
• Post-mortem Gewebe (aus der Gerichtsmedizin).
In vielen Ländern, wo ähnliche Projekte bereits lanciert wurden, ist man besorgt, dass die „Spende“ von menschlichem Gewebe mit den Spenden, die für Transplantationen bestimmt sind, konkurrieren könnten. Somit könnte diese Angelegenheit sowohl für die Öffentlichkeit, als auch für die Gewebebanken (die nur für Transplantationen zuständig sind) unbeliebt werden. In Wirklichkeit hat sich jedoch gezeigt, dass diese Befürchtungen nicht eingetreten sind. Viele Organe und Gewebematerialien sind nämlich von vornherein für Transplantationen ungeeignet. Eine oder mehrere Gewebebanken können unterschiedlich organisiert werden.
Bei der Projekterarbeitung wurden folgende Punkte beachtet:
* Gründe, die in anderen Ländern zum Scheitern ähnlicher Projekte geführt haben;
* Erzielte Erfolge einzelner Verwirklichungen;
* Juristische und wissenschaftliche Lage in der Schweiz.
Die tragende Idee des Projektes ist nicht die Gründung einer einzelnen Gewebebank auf nationaler Ebene, sondern ein koordiniertes Kommunikationsnetz von Gewebebanken, das verändert werden kann und national verwurzelt ist.
Da es sich hierbei um ein komplexes Projekt handelt, das auch ethische, legislative, wissenschaftliche und organisatorische Aspekte beinhaltet, resultieren 3 verschiedene Arbeitsbereiche:
* Die institutionellen Aufgaben
* Die Gewebebanken
* Die Verwender von Gewebe
Die institutionellen Aufgaben
Zuallererst müssen Rechtsvorschriften erstellt werden, die den Gebrauch von menschlichem Gewebe regeln. In einigen Ländern hat das Fehlen dieser Richtlinien dazu geführt, dass Pathologen und Chirurgen, die bei der Gründung einer Gewebebank gerne teilnehmen und mithelfen würden, vor juristischen Folgen Angst haben, da kein Gesetz sie diesbezüglich schützt. Ausserdem wird derzeitig menschliches Gewebe als „medizinischer Abfall“ betrachtet, daher ist es untersagt, Gewebe in einer anderen Art zu benutzen. Ohne nationale Rechtsvorschriften ist es unmöglich Gewebebanken zu gründen. Deshalb hat ATRA in ihrem Projekt bereits einen entsprechenden Entwurf ausgearbeitet.
Die Gewebebanken
Eine Gewebebank ist im Stande Zellen, Gewebe und menschliche Organe zu sammeln, aufzubereiten, zu konservieren, und zu verteilen. Da eine Gewebebank menschliches Material verwalten muss, ist es wichtig, dass es sich dabei grundsätzlich um eine NON PROFIT Struktur handelt. Das bedeutet, dass jede Form von bezahlter Arbeit oder rückerstatteter Spesen für Verbesserungen in ebendiese Gewebebank reinvestiert werden muss. Das Projekt von ATRA sieht die Schaffung verschiedener über das ganze Land verteilte Gewebebanken vor, am besten direkt innerhalb der Spitäler, welche die wichtigste Quelle menschlichen Materials darstellen. Das meiste Material käme von den Krankenhauspatienten. Es wäre wohl einfach, eine wöchentliche Liste aller Operationen zu erstellen und abzuwägen, was für menschliches Material aus Resten kleiner chirurgischer Eingriffe, aus Biopsien oder von Amputationen gewonnen werden kann.
Die Gewinnung von Gewebe verstorbener Patienten kann weder organisiert noch kontrolliert werden. Immerhin bietet sich der Vorteil, dass ständig Personal zur Verfügung steht und bereits heute für den Einsatz bei Notfällen organisiert ist. Es handelt sich hierbei um ein Team, das auf differenzierte und besondere Weise menschliches Gewebe sammelt; der einzige Unterschied wäre, dass das Gewebe nicht an Verbrennungsanlagen für medizinischen Abfall geschickt würde, sondern an Forschungslaboratorien, mit denen eine Vereinbarung getroffen wurde. Der grösste Vorteil gäbe es für Universitätskliniken, deren tätige Forscher, Verwender von Gewebe, Chirurgen und Gewebelieferanten in geringer räumlicher Distanz für dieselbe Institution arbeiten. Die Gewebebanken müssten als Verwalter des menschlichen Materials fungieren, dieses also sowohl beschaffen als auch verteilen. Sie müssten das Material so verwalten, dass der Personenschutz, d.h. Anonymität und Rükkverfolgung auf den Spender garantiert wäre. So könnten glichzeiting der Spender geschützt und dem Forscher alle nötigen Informationen über die biomedizinischen Eigenschaften des Gewebes geliefert werden.
Die Verwender von Gewebe
Die Forschungen, die Gewebe gebrauchen könnten, können sowohl in öffentlichen Institutionen (normalerweise Universitäten), oder auch in Laboratorien der Pharmaunternehmen von privaten Zentren durchgeführt werden. Da die Schweiz einer der weltweit grössten Hersteller von chemisch- pharmazeutischen Substanzen ist, benötigt die Privatindustrie enorme Mengen von Gewebe.