Komplettes Dossier auf der Seite 10
Norman Lipari – Historiker
1965 betrug die Weltbevölkerung rund 3,5 Milliarden Menschen. Heute beträgt sie fast 8 Milliarden, und ist in den letzten beiden Generationen drastisch in die Höhe geschossen, mit solch einer Geschwindigkeit, die es in der Geschichte der Menschheit noch nie gegeben hat. Jahrzehntelang haben wir produziert und konsumiert, als ob die Ressourcen der Erde unbegrenzt wären. Ich möchte über die globale Überbevölkerung und den unkontrollierten Wachstum der Weltbevölkerung sprechen, da dieses Thema oft vermieden wird, und immer noch als Tabu gilt. Das Problem als gigantisch zu definieren, ist in Wirklichkeit eine Untertreibung, es steht im engen Zusammenhang mit unseren ökologischen, sozialen, finanziellen und politischen Problemen. Heute ernten wir die Früchte, die dieses System und diese Mentalität gesät haben. Und wenn ich hinzufügen darf: die Früchte sind absolut verdorben.
Schauen Sie sich den aktuellen Stand der Dinge an: 8 Millionen Menschen pro Jahr sterben weltweit aufgrund von Hungersnot; ein Grossteil dieser Todesfälle ereignen sich in Afrika, wo etwa 820 Millionen Menschen an Hunger leiden. Der Gedanke daran, dass das nicht unsere Schuld ist, gefällt uns. Wir unterschreiben Petitionen machen kleine Geldspenden, oder kaufen (das ist nicht mein Fall) Fleisch aus “nachhaltigen” oder “biologischen” Fleischbetrieben. So beruhigen wir unser Gewissen. Doch die Wahrheit ist, dass während all diese Menschen an Hunger leiden, 760 Millionen Tonnen pflanzliche Nahrung (hauptsächlich Getreide) an Tiere verfüttert werden, die für die Fleischproduktion bestimmt sind. Durch diese Menge könnten 11 Milliarden Menschen ernährt, und das Problem der weltweiten Hungersnot 14 Mal gelöst werden! All das trägt zu der enormen Menge an ökologischen, politischen, und sozialen Problemen bei. Umweltprobleme werden nicht richtig wahrgenommen. Der Klimawandel ist für viele Menschen nicht spürbar. Die Umweltprobleme wurden als The Perfect Problem definiert, nämlich das Perfekte Problem, da man es erst erkennen muss, bevor man es lösen kann. Alle Generationen hatten ihre Probleme. Dieses hier ist unser Problem, und meiner Meinung nach, das wohl Wichtigste von allen. Sicherlich ist die weltweite (Über-) Bevölkerung nicht das einzige Problem.
Die Konsumgüter sind ein anderes grosses Problem, und häufig sind sie Teil unserer Kulturen und unserer Mentalität. Der derzeitige Stand der Dinge sieht so aus: Wenn alle Menschen auf der Welt, in solcher Weise konsumieren würden, wie ein mittlerer Europäer oder Amerikaner, um nachhaltig zu sein, dürfte die Weltbevölkerung nicht mehr als 2 Milliarden betragen. Denken wir mal an die Spitzen-Räuber - die Tiere, die an der Spitze der Nahrungsmittelkette ihres entsprechenden Ökosystems stehen, die keine Rivalen in der Natur kennen, nur diejenigen ihrer Spezies, die grösser sind als sie selbst. Ein Spitzenprädator wie der Gepard fängt bei gesamt 10 Angriffen, 7-8 Mal keine Beute. Gazellen entkommen demnach 8 Mal von 10 Gepard-Angriffen. Ist der Mensch ein Spitzen-Räuber? Nein, der Mensch ist kein Spitzen-Räuber. Viel schlimmer nämlich – Ein Spitzen-Räuber ist 20-30% erfolgreich. Unser Prozentsatz liegt bei 100%. Haben Sie jemals die Wal- und Delfinjagd, oder die intensive Fischerei gesehen? Die Fische (einschliesslich Haie) und Wale haben kein Entkommen. Heutzutage benutzt man Waffen und Schiffe, um Fische und Wale zu jagen, sowie Schleppnetze, Langleinen, Harpunen, Sprengstoff. Doch nicht nur das: zu den Schiffen, werden Flugzeuge miteinbezogen, um Fischschwärme und Walfamilien ausfindig zu machen, sogar Satelliten werden eingesetzt. Satelliten für den Walfang. Diese Tiere können nicht entkommen.
Der Mensch ist kein Spitzen-Räuber, Der Mensch ist ein Spitzen-Ausbeuter. Bei seinem Vorgehen handelt es sich nicht um Jagd, sondern um ungeheure Ausbeutung.
Wer steht weltweit an erster Stelle, wenn es um den Thunfischkonsum geht? Das Schwein. An zweiter Stelle? Geflügel. An dritter Stelle? Die Katze. Seien Sie sich einer Sache bewusst: Ein Thunfisch würde in der Natur niemals den Weg dieser 3 Lebewesen kreuzen. Das alles hat nichts mehr mit Natur zu tun. Zuchttiere werden neben Tonnen von Getreidemehl, auch mit Tiermehl gefüttert, Mischungen, die häufig auch Fisch enthalten, nämlich Thunfisch. Aus diesem Grund beträgt der heutige Thunfisch-Bestand nur 5%, verglichen mit dem Thunfisch-Bestand, vor der intensiven Fischerei. Sie werden alle getötet. Das Meer verfügt über ein empfindliches Gleichgewicht, und darf nicht durch unverhältnismässige Eingriffe des Menschen zerstört werden, da es das Klima auf der Erde reguliert, und 80% des Sauerstoffs liefert, das wir einatmen. Das ist die Realität. Das ist das Perfekte Problem. Das was man weder sehen, noch fühlen kann. Durch den Thunfischfang – Thunfisch zur Fütterung der Zuchttiere – verhungern Delfine, zusammen mit den anderen natürlichen Jägern des Thunfisches. Durch den Fischfang, die Jagd, die Zucht, wenn intensiv, verhungern die Menschen. Die Waljagd, zerstört die Konsumenten und die natürlichen Verbündeten von Krill und Plankton. Wenn eines Tages aufgrund von Wal- oder Haifischmangel Krill und Phytoplankton in den Ozeanen fehlt, dann würde das unsere Sauerstoffreserven reduzieren. Die Welt lebt nicht dank der Wälder, sie lebt dank des Sauerstoffs der Ozeane.
Eine unverhältnismässig gewachsene menschliche Weltbevölkerung; wildlebende Arten am Rande des Zusammenbruchs; verarmte Lebensräume; ausgestorbene Rassen; intensive menschliche Aktivitäten; die der Natur keine Zeit geben, um sich zu regenerieren; übermässiger Konsum und Dienstleistungen; Umweltkatastrophen; abergläubische und engstirnige Mentalitäten; Schneller Ressourcenabbau; ein Planet, der als unermüdlich angesehen wurde, ist nun zerbrechlich und klein. Während die Menschen sich fragen, wie man die Umweltprobleme der Erde beseitigen könnte, sehen sie nicht, dass die Antwort vor ihren Augen ist, nämlich jedes Mal, wenn sie Einkäufe machen, jedes Mal, wenn sie ihren Kleiderschrank öffnen, jedes Mal wenn sie Produkte kaufen, die sie gar nicht brauchen, jedes Mal wenn sie zu Tisch gehen, bei jeder Mahlzeit.